Klasse 8, 10, 11.
Kleider
machen Leute
Sie sah
nett aus. Groß, schlank, natürlich, freundlich.
Jeden
Tag auf dem Weg zur Arbeit warf er noch einen heimlichen Blick durch die
Schaufenster der Verkaufsstelle an der Ecke. Dort hantierte Rita, und am
liebstem wäre er jedes Mal in den Laden gestürzt und hätte bei ihr etwas
gekauft. Aber was sollte Uwe auch mit dem
ganzen Kram; Rita war nämlich in einer Zoologischen Handlung tätig.
In den letzten acht Tagen hatte er schon Tag für Tag
Wasserflöhe gekauft. Bei den ersten Einkäufen brachte Uwe kein
Sterbenswort über die Lippen. Neulich aber fasste er sich ein Herz. Gestern nun
konnte er Rita überreden, abends zusammen mit ihm ins Kino zu gehen.
Uwe
hatte ein weißes Hemd angezogen und seinen dunklen Anzug aus dem Schrank geholt.
Klaus, der ihn besuchen wollte, sagte, als er Uwe so sah: „Fehlt bloß die
Uhrkette, der Stockschirm und die Gamaschen - fertig ist der englische
Lord."
Klaus
hielt nicht viel von Schlips und Kragen, Mantel und Hut. „Was für alte
Herren" -war seine Meinung. Uwe überlegte. Hatte Klaus nicht Recht?
„Sportlich muss du auftreten und nicht wie auf einer internationalen
Modenschau."
Also die Lederjacke raus, das weiße Hemd in den Schrank
und noch einen Lederriemen um das rechte Handgelenk. Das sieht immer mutig aus.
Rita
stellte an jenem Abend auch Überlegungen an. Mit Hilfe von Puder und Schminke
korrigierte sie das Gesicht. Haare und Fingernägel behielten dagegen ihre
Urform, so wie es Rita kürzlich bei einer
Filmschauspielerin sah. Schließlich war man noch jung, und Rita wollte
modern sein.
Und wie würde Uwe staunen, wenn er sie sehen
würde. Er sollte nicht glauben, dass eine Verkäuferin nach Feierabend nicht
auch Schick haben könnte. Modem gekleidet ist man doch am besten, wenn man
etwas Besonderes trägt, mal eine knallige Sache überzieht und die Locken nicht so schön behandelt. Als sie sich
abschließend im Spiegel betrachtete, war sie recht zufrieden.
An der Ecke trat Uwe bereits von einem Bein aufs andere - Rita hatte sich
wohl verspätet. Er sah auf die Uhr. Oder
hatte er sie nicht erblickt - da war sie ja. Verdammt, die Kleine stand schon eine Weile hier, er hatte sie
nicht wieder erkannt. Verlegen begrüßten sie sich. Aber warum sahen sie die Leute dort so sonderbar an? „Gehen wir
ins Kino", flüsterte Uwe seiner Rita zu. „Was spielt man
dort?" wollte Rita wissen. „Kleider machen Leute."
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